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Das Märchen von der disziplinierten und gar nicht chaotischen Alternative

„Im Dialog“ mit Alfred Schier fragt dieser Bernd Lucke, ob er nicht Angst habe als Ein-Themenpartei wie die Piratenpartei schnell wieder abgeschrieben zu sein.

„Nein, nicht wirklich. Also zum einen sind wir strukturell ganz unterschiedlich gegenüber den Piraten. Die Piraten haben oft so ein chaotisches Verhalten an den Tag gelegt. Das ist bei uns eigentlich ganz anders. Wir haben eine sehr disziplinierte und sehr geschlossene Mitgliedschaft. Wir sind uns einig in unseren Zielen und diese Ziele sind eben nicht nur das eine Thema, zudem wir ständig befragt werden. Und weil wir ständig zu diesem einen Thema gefragt werden, werden wir vielleicht als Ein-Themenpartei angesehen.“

Hier divergiert die Darstellung von Lucke von der tatsächlichen Situation in den Landesverbänden, die er selbst auch besser kennt und als „massive Konflikte in mehreren Landesverbänden“ bezeichnet. Die Piraten fielen durch chaotische Personalquerelen auf, doch die AfD steht ihr in diesem Bezug um nichts nach. Im Gegenteil, Personalquerelen waren in der Piratenpartei in den ersten Jahren eher selten. Derzeit brodelt es in den Landesverbänden von Bayern, Berlin und Niedersachsen so stark, dass notfalls gesamte Landesvorstände zurücktreten und neu gewählt werden müssten – quasi par Ordre du Mufti Lucke.

Vom Bayerischen Rundfunk befragt, äußert sich ein Anwesender des Parteitags der bayerischen AfD in Ingolstadt.

„Schlimmer geht es nicht, wenn Amateure versuchen eine Partei zu gründen. Und sich vorher nicht erkundigen, wie man das macht. Und wie die Formularien sind; wie sie abzulaufen haben; ist das so was von hirnrissig, dass man sagen kann, dass kann nur schief gehen.“

Die Behauptung, die Mitgliedschaft wäre sehr diszipliniert und sehr geschlossenen, ist wohl einfach ein Märchen, das Bernd Lucke über seine Partei verbreiten möchte.

Rechte Spinner und 99% tadellose Bürger

Bernd Lucke war bei Alfred Schier „im Dialog“. In dieser Politsendung unterstellte Schier, es wären in der Partei „jede Menge Spinner dabei“ und will von Bernd Lucke wissen, wie er verhindern möchte nicht zum Sammelbecken für Rechtsextremisten zu werden.

„Zunächst einmal, es sind überhaupt nicht viel Spinner dabei. Es ist eine Handvoll, vielleicht von Spinnern dabei. Das ist natürlich unvermeidlich, dass wir auch solche Leute anziehen. Aber wirklich 99% unserer Mitglieder sind tadellose Bürger, die voll im Leben stehen – viel mehr im Leben stehen als manche Parteikarrieristen, die sich in anderen Parteien tummeln. Es ist natürlich so, dass es auch diese wenigen Spinner gibt. Gibt zum Teil nur harmlose Spinner und zum Teil es gibt dann auch Leute, die aus rechtsextremen Parteien kommen…“

Da versucht die AfD schon die Aufnahme zu verhindern, indem sie nach vormaligen Parteimitgliedschaften fragt. Nach eigenem Bekunden zählt die AfD derzeit etwa 11.500 Mitglieder. Folgt man der von Lucke in den Raum gestellten und unbelegten Zahl von 99%, dann fallen selbst dann über hundert Mitglieder, in die Kategorie „Spinner“. Aber es wären ja vielleicht nur eine Handvoll Spinner. Vielleicht weiß Lucke auch gar nicht so genau, was in seiner Partei los ist und kann diesbezüglich gar keine belastbare Aussage machen.

Viel interessanter ist allerdings die Behauptung, es sei „natürlich unvermeidlich, dass wir auch solche Leute anziehen.“ Heribert Prantl bringt seine Meinung über die Parteigründung der AfD folgendermaßen zum Ausdruck.

„Die “Alternative” ist, wie es Parteineugründungen fast immer sind, vorerst ein suspektes Sammelbecken sowohl von gescheiten als auch von gescheiterten Menschen.“

Insofern teilt er in gewisser Weise die Einschätzung von Lucke. Wenn man sich dann aber Äußerungen von Lucke wie im Streitgespräch mit Dennis Snower ansieht, fällt auf wie er Ressentiments schürt, die gerade von rechts beklatscht werden.

„Es soll doch jeder nach seiner Façon glücklich werden! Wenn die Arbeitsmoral in anderen europäischen Ländern nicht der deutschen entspricht, dann sollen die Leute dort so arbeiten, wie sie wollen.“

Es wurde nachgefragt.

„Glauben Sie, dass die Arbeitsmoral in Südeuropa schlechter ist?“

Lucke bekräftigte.

„Ja, ganz klar. Aber lassen wir die Menschen doch so leben, wie es sie glücklich macht. Wenn die Menschen in diesen Ländern weniger und entspannter arbeiten wollen und dafür weniger Wohlstand in Kauf nehmen, bitte schön. Das eigene Glück zu verfolgen ist doch ein elementares Recht jedes Volks. Wenn wir Deutschen andere Länder respektieren wollen, sollten wir ihnen zugestehen, wieder so zu leben, wie sie es wollen.“

Zudem ist es nicht ersichtlich, warum Lucke ausgerechnet an dieser Stelle, der These über die Faulheit anderer Länder von Merkel folgt. Gibt es Zahlen, die diese Behauptung belegen, oder ist dies nicht als Märchen widerlegt?

Lucke spricht viel davon, die Südländer müssten wieder wettbewerbsfähig gegenüber Deutschland werden. Dass die Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland auch mit einer massiven Ausweitung des Niedriglohnsektors, einer Subventionierung von Unternehmen in diesem Bereich und einer Stagnation der Reallohnentwicklung erkauft wurde, spart Lucke aus. Von europäischen Nachbarn wurde Deutschland Lohn- und Sozialdumping auf Kosten der Partnerländer vorgeworfen. Es ist daher auch wenig verwunderlich, wenn dies an der deutschen Arbeitnehmerschaft nicht spurlos vorübergeht.